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Außerordentliche Kündigung wegen einmaligen Arbeitszeitbetrugs unzulässig Außerordentliche Kündigung wegen einmaligen Arbeitszeitbetrugs unzulässig

Für die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen eines einmaligen Fehlverhaltens muss dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers unzumutbar sein. Dies gilt unter Umständen auch dann, wenn dem Arbeitnehmer ein nachgewiesener Arbeitszeitbetrug vorzuwerfen ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in einer interessanten Entscheidung vom 03.08.2021 festgestellt.

  • Die außerordentliche Kündigung
  • Sachverhalt: LAG Rheinland-Pfalz 8 Sa 361/20
  • Kündigung wegen einmaligen Arbeitszeitbetrug unzulässig
  • Rechtliche Würdigung
  • Zusammenfassung

Die außerordentliche Kündigung:

Die außerordentliche Kündigung ist von der ordentlichen Kündigung abzugrenzen. Eine ordentliche Kündigung ist nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist und Beachtung des Kündigungsschutzes zulässig.

Eine außerordentliche Kündigung wegen Fehlverhaltens ist hierbei in der Regel immer auch eine fristlose Kündigung. Diese Form der Kündigung erfordert einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist, dass es dem Kündigenden aufgrund des wichtigen Grunds unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis unter Beachtung einer Kündigungsfrist fortzusetzen. Zunächst muss also festgestellt werden, ob überhaupt ein wichtiger Grund vorliegt, der eine außerordentliche Kündigung trägt.

Ob ein Fehlverhalten, welches grundsätzlich dazu geeignet ist, Unzumutbarkeit zu begründen, die Kündigung dann auch wirklich rechtfertigt, muss dann noch im Rahmen einer Interessenabwägung des jeweiligen Einzelfalls ermittelt werden. Für die Interessenabwägung werden die schutzwürdigen Belange des Arbeitgebers den schutzwürdigen Belangen des Arbeitnehmers gegenübergestellt. Hierbei werden aufseiten des Arbeitnehmers dann beispielsweise die Beschäftigungsdauer, die Anzahl der Unterhaltspflichten, die bisherigen Zeugnisse oder Abmahnungen in die Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers und die Schwere des Verstoßes gegenübergestellt.

Wenn das Fehlverhalten zwar grundsätzlich von seiner Art schwerwiegend ist, aber aufgrund der Einmaligkeit und Intensität nicht so erheblich ist, dass es die Interessen des Arbeitnehmers überwiegt, dann kann auch ein Arbeitszeitbetrug unter Umständen nicht ausreichen, um eine außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung der Interessenabwägung zu rechtfertigen. So hat das LAG Rheinland-Pfalz in Az. 8 Sa 361/20 entschieden.

Sachverhalt LAG Rheinland-Pfalz 8 Sa 361/20:

Einen interessanten Fall zur Interessenabwägung bei einer außerordentlichen Kündigung liegt folgender Sachverhalt in LAG Rheinland-Pfalz 8 Sa 361/20 zugrunde:

Der Leiter der Finanzabteilung einer Universitätsklinik war dort seit 2011 beschäftigt. Im Rahmen einer betrieblichen Weihnachtsfeier, die ca. 2 Stunden dauerte und die mit einer ca. 15 bis 30-minütigen Präsentation des Jahresabschlusses der Abteilung begann, hatte sich der Arbeitnehmer nicht aus dem betrieblichen Zeiterfassungssystem ausgeloggt.

Darüber hinaus hatte er im Zusammenhang mit der Weihnachtsfeier für die 17 Teilnehmer auf Kosten des Arbeitgebers Gebäck für 96,70 € bestellt und hiermit nach Auffassung des Arbeitgebers gegen interne Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinien verstoßen.

Der Arbeitgeber kündigte aus diesen Gründen außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Das erstinstanzliche zuständige Arbeitsgericht Mainz hat der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgegeben und die Kündigungen als unzulässig verworfen. Das zweitinstanzlich zuständige Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte das Urteil der Vorinstanz.

Kündigung wegen einmaligen Arbeitszeitbetrugs unzulässig:

Das Landesarbeitsgericht begründet seine Entscheidung folgendermaßen:

Selbst wenn man annimmt, dass ein an sich geeigneter Grund durch das Fehlverhalten des Arbeitnehmers, insbesondere aufgrund des Arbeitszeitbetrugs im vorliegenden Fall gegeben ist, so fehlt es jedenfalls an einem nach objektiven Maßstäben überwiegenden Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung der Zusammenarbeit.

Der Grund liegt darin, dass der Arbeitszeitbetrug sich im Rahmen einer, am Jahresende abspielenden Veranstaltung mit gemischt betrieblich-privaten Charakter abgespielt hat und deshalb nicht von einem systematischen oder regelmäßigen Arbeitszeitbetrug ausgegangen werden kann. Die Weihnachtsfeier in den Betriebsräumen der Klinik war auch transparent erkennbar und das Fehlverhalten wurde nicht etwa heimlich vertuscht, um die Arbeitszeit mit privaten Dingen verbringen zu können. Darüber hinaus ist es auch während der regulär bezahlten Arbeitszeit nicht unüblich, dass private Gespräche („Tür- und Angel-Gesprächen“) zwischen den Arbeitnehmer stattfinden und der zeitliche Rahmen des nicht-betrieblichen Teils der zweistündigen Weihnachtsfeier (ca. 90 Minuten) war bei diesem einmaligen Ereignis nicht übermäßig stark ausgeprägt. Im Rahmen des Verstoßes gegen die Präsentations- und Bewirtungsrichtlinien ist auch zu berücksichtigen, dass keine Bereicherungsabsicht des gekündigten Arbeitnehmers vorlag.

In der Gesamtschau der Verstöße wiegen diese auch in der Summe nicht so schwer, dass eine Abmahnung als milderes Mittel der Sanktion und Warnung nicht ausreichend erscheint. Besonders ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis über viele Jahre unbelastet lief, das erteilte Zeugnis keinen Hinweis auf Problematik erkennen ließ, der Arbeitnehmer für vier Kinder unterhaltspflichtig ist und im Vorfeld keine Abmahnung ausgesprochen wurde. Deshalb überwiegen die Interessen des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes gegenüber den Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Rechtliche Würdigung der Entscheidung:

Bei der rechtlichen Würdigung wird zunächst deutlich, dass die erforderliche Interessenabwägung zwingend und auch im Ergebnis sehr einzelfallbezogen ist.

Zunächst ist zu prüfen, ob ein milderes Mittel in Betracht kommt, bevor eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden muss. Wenn der Verstoß oder auch mehrere Verstöße in der Gesamtschau nicht so erheblich sind, dass es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis weiterzuführen, dann reicht in der Regel eine Abmahnung aus, um den Arbeitnehmer zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Sodann sind die besonderen Umstände des Arbeitsverhältnisses und des Arbeitnehmers (Beschäftigungsdauer, Unterhaltspflichten, vorheriges Verhalten) gegen die Schwere des Verstoßes und den Interessen des Arbeitgebers abzuwiegen.

Der vorliegende Fall hätte bei leicht abgeänderten Umständen auch zur Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung führen können. Beispielsweise dann, wenn das Arbeitsverhältnis und die bisher vertrauensvolle Zusammenarbeit noch nicht so lange bestanden hätten und gleichzeitig der Arbeitszeitbetrug unter anderen Umständen stattgefunden hätte, beispielsweise für einen privaten Einkauf oder bereits zum wiederholten Male.

Zusammenfassung:

  • Die außerordentliche Kündigung ist in der Regel fristlos und sie erfordert einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.
  • Wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die außerordentliche Kündigung grundsätzlich trägt, ist zusätzlich eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Interessen des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erforderlich.
  • Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat am 03.08.2021 einen geringfügigen Arbeitszeitbetrug von ca. 90 Minuten im Rahmen einer gemischt betrieblich-privaten Weihnachtsfeier nicht als ausreichend für eine außerordentliche Kündigung angesehen, vgl. LAG Rheinland-Pfalz 8 Sa 361/20 .
  • Grundsätzlich sei der Arbeitszeitbetrug ein ausreichend wichtiger Grund, um die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung zu begründen.
  • Im entschiedenen Fall war der Arbeitszeitbetrug im Zusammenhang mit der langjährigen und bis dato unbelasteten Beschäftigungsdauer aber von so geringem Gewicht, dass die Interessen des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegen.
  • Hierbei wurde auch berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer gegenüber seinen vier Kindern unterhaltspflichtig war und darüber hinaus eine Abmahnung als milderes Mittel ausreichend gewesen wäre.
  • Für die Interessenabwägung ist jedoch entscheidend, dass die individuellen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden.

Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
18. Januar 2022

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